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Meine Seele
Mein Papa „Auwi“ ist am 14.05.2019 gestorben. Und heute möchte ich meine Gedanken dazu niederschreiben, damit meine Seele wieder Luft zum Atmen bekommt.
Der Anfang vom Ende
Auch, wenn ich darauf vorbereitet war, es hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Wie ich euch berichtet habe, ist meine geliebte Mama Karla am 29.10.2016 an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben. Nun ist mein geliebter Papa ihr gefolgt. Zwei Leben, eine gemeinsame Vergangenheit, meine wunderbaren Eltern, einfach nicht mehr da. Durch verdammte Krankheiten. Zeit heilt Wunden sagt man, für mich ist es kein Trost. Zumindest im Moment noch nicht.
Als meine Mama starb ist für uns alle und insbesondere für meinen Vater eine (geliebte) Welt zusammengebrochen. Er hat sich in der Zeit der Krankheit meiner Mama aufopferungsvoll um sie gekümmert, so wie es ein liebender Ehemann nur tun kann. Aber mein Mann und ich sahen auch, dass er bis zu seinem Lebensende nie über den Tod seiner „Karla“ hinweggekommen ist. Ich hätte nie gedacht, dass er seinen eigenen Lebensmut nach dem Tod meiner Mama immer mehr verloren hat.
Krebs ist ein Arschloch
Dann kam ein Tag im September, als mir mein Papa mitteilte, er habe so einen Knubbel an der Schulter, der ihn störte. Ich riet ihm zum Arzt zu gehen. Der Chirurg gab erst einmal Entwarnung, es sei ein Sarkom, nichts schlimmes. Das Teil wurde entfernt, die Wunde heilte gut und der Störenfried war schnell vergessen. Zwei Wochen später änderte sich unser aller Leben schlagartig, als mich mein Papa im Büro anrief und mir mitteilte, das Sarkom wäre doch etwas schlimmes und zwar eine Metastase. Mir blieb die Luft weg, mir liefen die Tränen, ich hörte meinen Papa weinen. Da ich eine total verständnisvolle Chefin hatte und die auch meinen Papa kannte, erlaubte sie mir, dass ich sofort zu ihm fahren durfte.
Ich habe und hatte die tollsten Eltern der Welt. Und da war es selbstverständlich, dass mein Mann und ich meinen Vater so gut wir konnten unterstützen. Es folgten viele Untersuchungen, bis feststand das mein Vater an dem sogenannten „Barrettadeno-Karzinom“ litt. Das ist eine Form von Speiseröhrenkrebs, der sich im unteren Teil der Speiseröhre am Übergang zum Magen bildet. Und die Metastase am Schulterblatt war das erste Anzeichen, dass sich an einer primären Stelle im Körper der verdammte Krebs gebildet hatte. Als wir das Gespräch gemeinsam mit der behandelnden Ärztin im Krankenhaus führten wurde uns erklärt, das der Tumor schon soweit in andere Körperteile (Becken, Oberschenkelknochen, Rippen) gestreut hätte, dass eine Operation zur Heilung nicht mehr möglich sei. Um meinem Papa noch so viel wie möglich an Lebensqualität zu erhalten, gäbe es allerdings eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten im palliativen Bereich.
Kämpfer
Mein Vater ist und war eine Kämpfernatur. Auch wenn er den Tod seiner lieben Frau und meiner lieben Mutter nie verwunden hat, er wollte weiterleben. Für sich selbst, für seine geliebte Tochter und für seinen wunderbaren Schwiegersohn. Es folgten viele Wochen und Monate mit zahlreichen Untersuchungen, Chemotherapien (die er ohne große Nebenwirkung meisterte), die meinem Vater und uns viel Hoffnung und Zuversicht gaben. Ich bin sehr froh und dankbar, dass wir nochmal an unseren gemeinsamen Lieblingsurlaubsort Oberstdorf verreisen konnten, mein Papa wünschte sich auch nochmal einen Ausflug in unsere zweite Heimat Koblenz und er kaufte sich doch tatsächlich noch ein neues Auto! Nie hätte ich gedacht, dass mich sein Satz „Was bin ich froh ihr beiden, dass ich das alles noch einmal mit euch erleben durfte!“ so tief ins Herz treffen würde. Es sah doch alles so zuversichtlich aus, die Chemotherapie schlug an, sein Onkologe erklärte uns im Juni 2018, dass die nächste Chemo-Phase erst wieder Ende des Jahres notwendig wäre.
Herbst
Und dann kam der Herbst. Ich bin immer gerne auf dem Heimweg vom Büro zu Papa gefahren, er kochte mir immer liebevoll was leckeres zu essen. Das schöne ist, dass mein Papa sich im Alter bzw. während der schweren Herzerkrankung meiner Mama zu einem tollen Koch entwickelte. Als Witwer hat er sich in seiner „gesunden Zeit“ immer tolle und leckere Gerichte gekocht und eben auch für uns, wenn wir ihn am Wochenende gerne besuchten. Durch die Chemotherapie veränderte sich sein Geschmacksempfinden, umso besorgter war er dass es uns nicht gut schmecken könnte. Umso schöner war es, dass es uns immer geschmeckt hatte und man erstaunlicherweise nie nachwürzen musste! Und dann kamen ihm vor lauter Stolz immer ein paar Tränchen. Aber irgendwann veränderte sich unser aller Welt weiter und mein ungutes Gefühl wurde immer größer.
Veränderung
An Weihnachten wechselten wir uns mit den Besuchen immer ab. Am zweiten Weihnachtsfeiertag 2018 hatten wir besprochen bei Papa zu feiern und hatten versprochen, dass wir das Weihnachtsmenü mitbringen. Das war der Tag an dem sich schlagartig alles schlimm veränderte. Was mein Papa sicher aus lauter Liebe zu mir verborgen hatte, wurde nun offensichtlich. Er konnte nicht mehr richtig essen. Was dann kam, war für meinen Papa und uns die schlimmste Zeit. Mit einer der stärksten Chemo-Therapien (Cis-Platin) in Kombination mit Bestrahlungen baute mein Kämpfer-Papa immer mehr ab. Es war sein Wunsch, dass er solange wie möglich zu Hause bleiben wollte. Ein häuslicher Pflegedienst wurde beauftragt, damit er künstliche Ernährung bekam. Es kam jeden Abend ein Pfleger, schloss meinen Papa über seinen Port an die künstliche Ernährung an. Durch einen Rucksack indem der Beutel der künstl. Ernährung untergebracht war, konnte sich tagsüber frei bewegen soweit es ihm noch möglich war und er Lust dazu hatte.
Im zweiten Teil geht’s weiter…