Liebe Leserinnen und Leser!
Ich habe lange nichts mehr von mir hören lassen. Aber da bin ich nun wieder. Das hatte drei Gründe: Unser Umzug, mein altes, lahmes Laptop.
Und meine Mama.
Sie ist am 29. Oktober 2016 gestorben. Sie war schwer herzkrank, hatte vor 11 Jahren einen Herzinfarkt, bekam drei Bypässe eingesetzt. Viele Jahre konnte sie gut damit weiterleben. Vor zwei Jahren verschlechterte sich ihr Zustand. Die Krankenhausaufenthalte nahmen zu. Das Jahr bevor meine Mama starb war für mich mit viel Angst verbunden. Durch unseren Umzug und meinen geliebten Mann hatte ich zwar jede Menge Ablenkung, doch jedesmal, wenn wir einen Anruf von meinem Papa bekamen, dann blieb auch mein Herz für einen Moment still stehen. Soviel Angst hatte ich vor dem Tag der Tage, der irgendwann mal kommen musste. Mamas Herz wurde immer schwächer. Sie war oft müde und es machte ihr enorme Schwierigkeiten Treppen zu steigen, weil sie nicht mehr die Kraft und die Luft hatte. Umso schöner, dass sie im Juli 2016 unser neues Zuhause erleben durfte. Spontan hatte sie den Wunsch verspürt, uns im neuen Heim zu besuchen. Und so packte mein Papa sie ins Cabrio und die beiden besuchten uns. Zwar befanden wir uns noch in den Renovierungsarbeiten, aber ich glaube, sie war begeistert und beruhigt, dass wir es so schön angetroffen haben.
Und dann kam im August unser Umzug in das gemeinsame Domizil. Leider hat sie nicht mehr mitbekommen, wie schön und gemütlich wir das neue Zuhause gestaltet haben. Mitte Oktober war bei ihr ein kleiner Eingriff geplant, der ihr krankes Herz und den Organismus entlasten sollte, Mama bekam den sogenannten „Watchman“ eingesetzt, ein keines Schirmchen, der den linken Bereich des Vorhofohrs verschließt und somit verhindert, dass ein Schlaganfall entsteht. Wer Angehörige hat, die einen Herzinfarkt überlebt haben, die wissen wieviele Medikamente Herzpatienten einnehmen müssen bzw. welche Nebenwirkungen (z. B. Schlaganfall, etc.) entstehen könnten. Also wurde der Eingriff am 26.Oktober 2016 durchgeführt und es ging ihr nach dem Eingriff ganz gut. Leider war ich in dieser Woche krank und durfte sie zu diesem Zeitpunkt nicht besuchen. An diesem Tag hatte ich schon eine enorme Angst und war so froh, als ich dann wenigstens endlich wieder mit ihr telefonieren konnte.
Sie erzählte mir am Telefon, dass der Eingriff schwierig war und sie es auch so verspürt hat, aber ich war doch zu froh, dass sie wieder auf dem Weg der Besserung war.
Dann kam der bisher schlimmste Tag in meinem Leben! Mein Mann und ich kamen vom Einkaufen zurück und ich verspürte das Gefühl mit meiner Mama zu telefonieren um ihr zu sagen, das ich sie vermisse und das wir sie am darauffolgenden Sonntag besuchen wollten, da ich wieder fit war. Ich rief sie im Krankenhaus an, sie nahm das Gespräch entgegen, kam mir aber unglaublich schläfrig vor. Anfangs konnte ich sie noch verstehen, sie sagte mir, dass ihr den ganzen Tag schon übel wäre, sie aber am Tropf angeschlossen wäre. Ich solle doch bitte mal meinen Papa anrufen, er würde mir dann alles erklären. Ich beruhigte sie und sagte ihr noch, dass sie sich ausruhen sollte und das wir sie morgen besuchen wollten. Den Rest den sie mir sagte, konnte ich gar nicht mehr verstehen, so verwaschen war ihre Sprache. Ich war so dermaßen beunruhigt, wie ich es die Tage vorher schon war und rief sofort meinen Vater an. Ich konnte ihn gerade noch erreichen, er wollte sich schon auf den Weg ins Krankenhaus machen. Er bestätigte mir Mamas Worte. Er wollte direkt wieder hin, da auch er sehr besorgt war.
Auch wenn ich es schon Tage vorher geahnt hatte, dass diese Woche kein gutes Ende nehmen sollte, nie hätte ich geahnt, dass der Besuch im Krankenhaus doch schon schneller erfolgen sollte. Eine Stunde später kam der Anruf, vor dem ich mich immer so gefürchtet hatte. Wir waren gerade noch mit der üblichen Hausarbeit beschäftigt, als mein Handy klingelte. Mein Papa. Für den Bruchteil einer Sekunde habe ich das Handy nur angeschaut und habe sofort gespürt, was danach kommen sollte. Ich erinnere mich genau an seine Worte: „Ihr müsst bitte sofort kommen. Die Mama ist gerade eingeschlafen…“ Da blieb für mich die Welt stehen. Ich wäre am liebsten in diesem Moment zusammengebrochen und musste doch für meinen Papa und für meine Mama stark bleiben.
Ich glaube, in diesem Moment ist auch ein kleiner Teil von mir gestorben. Mir gingen soviele Bilder und Situationen durch den Kopf, die ich mit meiner Mama erlebt habe, positive wie negative. Ein Leben, welches mir meine Mutter und mein Vater geschenkt haben und dass ich 45 wunderbare Jahre mit meiner Mama und hoffentlich noch viele lange Jahre mit meinem Mann und natürlich auch mit meinem Papa erleben darf.
Wir sind direkt ins Krankenhaus gefahren und haben noch lange Zeit mit ihr verbracht, sie gestreichelt, bis dann der Abschied für immer kam und wir sie allein lassen mussten. Bis zur Beisetzung war noch viel zu regeln und wir waren abgelenkt. Nach der Beisetzung habe ich noch gedacht, ich schaffe das, doch die Trauer nahm immer mehr Raum in meinem Leben ein. Mein Mann war so liebevoll und riet mir zum Arzt zu gehen, was dann auch der richtige Weg für mich war.
Sie ist.
Mittlerweile ist mehr als ein halbes Jahr vergangen únd ich denke jeden Tag an meine Mama. Voller Liebe und Dankbarkeit. Ich denke an die tollen und lustigen Momente und auch an die Momente, die mich nachdenklich machten. Meine Mama ist für mich mehr als nur eine Mama, sie ist für mich meine beste Freundin und Seelenverwandte. Ich weiss nicht, ob es ein Jenseits gibt, in der die Seelen der Toten weiter existieren. Ich wünsche es mir aber sehr! Manchmal da spüre ich noch immer eine ganz tiefe seelische Verbindung zu ihr, so wie wir beide sie immer schon hatten, als sie noch lebte. Plötzlich ist sie mir wieder ganz nah, ich kann es mir nicht erklären, aber es ist ein wunderbares Gefühl. So als wollte sie mir weiter Halt und Liebe geben.
So passierte es an dem Montag nach ihrem Tod, dass wir noch einige Dinge zur bevorstehenden Betstattung regeln mussten. Als wir auf dem Weg nach Hause waren, da kam uns der Wagen des Bestatters entgegen. In dem Moment war mir klar, dass in dem Auto meine Mutter liegt. Da ich den Bestatter am gleichen Tage noch anrufen musste, fragte ich ihn, ob er zur besagten Zeit auf dieser Straße unterwegs war. Seine Antwort: „Ja, da kam ich gerade vom Krankenhaus und habe ihre Mutter abgeholt“. Das war ein Moment, den ich nie vergessen werde. So traurig ich auch war, dieses tiefe Gefühl gibt mir heute Kraft. Ich weiss seitdem, dass das Leben und der Tod nur ein Zustand ist. Meine Mutter ist zwar nicht mehr hier, für mich ist sie einfach nur nebenan. An einem Ort, der hoffentlich wunderbar und ohne Sorgen und Leid ist, wo die Seele einfach nur glücklich sein kann und wo wir uns irgendwann mal „wiederspüren“.